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Am Sonntag , den 29.4. 2018 gastieren die Rocklegenden in Frankfurt am Main. Dazu erschien am gestrigen Donnerstag ( 19.4.18) in der "Freizeit - Beilage" der Frankfurter Rundschau ein Interwiew mit Dieter Maschine Birr :
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Puhdys und Co Ostrock-Legenden treten in Frankfurt auf
Sie gehörten zu den großen Bands der DDR: City, Karat und die Puhdys. Als Rock-Legenden touren ihre Musiker nun durch Deutschland. Dazu ein Interview mit dem früheren Puhdys-Frontmann Dieter „Maschine“ Birr.
19.04.2018 09:54 Uhr
FR Frankfurter Rundschau Kommentatorenfotos 2017 | 29.03.2017
Von Meike Kolodziejczyk
Rock-Legenden aus dem Osten
Dieter „Maschine“ Birr, früher Sänger, Gitarrist und Komponist der Puhdys, heute solo unterwegs. Foto: Ben Wolf
Hallo, wie darf ich Sie denn ansprechen? Herr Birr? Dieter? Oder Maschine?
Gern Maschine. So hieß ich bei den Puhdys, und als Maschine trete ich ja heute noch auf.
Stimmt es, dass Sie Ihrem Kollegen Peter Meyer den Namen verdanken, weil er mal gesagt hat, Sie seien eine „Fressmaschine“?
Wenn wir früher mit der Band unterwegs waren, sind wir oft Essen gegangen. Und dann hab’ ich meistens die doppelte Portion verdrückt, am liebsten Steak mit Pommes Frites.
Der Name hat also gar nichts mit Musik zu tun?
Der hatte erst mal nichts mit Musik zu tun. Aber ich bin sehr froh, dass aus der „Fressmaschine“ nur „Maschine“ geworden ist. Die Fans haben das sofort angenommen und sicher auch auf meine Energie auf der Bühne bezogen.
Zur Person
Ostrock-Legende
Dieter „Maschine“ Birr, 74, war Sänger, Gitarrist und Komponist der Puhdys, die mit 20 Millionen verkauften Alben bis zur Wende die erfolgreichste Band der DDR waren. 2014 lösten sich die Puhdys offiziell auf, ihr letztes Konzert gaben sie 2016.
Die Rock-Legenden spielen am Sonntag, 29. April, 18 Uhr, in der Frankfurter Festhalle, Ludwig-Erhard-Anlage 1. Tickets ab 57 Euro gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Ticket-Hotline 0 18 06 / 57 00 99 sowie auf www.semmel.de. myk
Seit mehr als 50 Jahren machen Sie als Maschine Musik, allein für die Puhdys haben Sie fast 250 Songs geschrieben. Mögen Sie den Begriff „Ostrock“?
Ich hab damit kein Problem. Früher, als die Grenzen noch zu waren, war Ostrock einfach eine Bezeichnung. Da wusste jeder sofort, wo die Musik herkam. Speziell im Westen war das vielleicht auch negativ besetzt, weil vieles, was aus dem Osten kam, qualitativ nicht so hoch eingeschätzt wurde.
Ostrock hat ein Revival erlebt, wie viele andere Dinge aus der DDR. Dazu wurde noch ein hübscher Begriff kreiert: Ostalgie.
Es gibt einfach viele Leute, die sich gern an diese Zeit erinnern, die sich auch wohlgefühlt haben im Osten. Ich denk mir oft: Wenn die Menschen hätten hinfahren können, wohin sie wollten, alles zu kaufen gekriegt hätten und ihre Meinung hätten sagen dürfen, dann wär das Leben in der DDR gar nicht so übel gewesen. Und gerade Leute, denen es heute nicht so gut geht, schwelgen gerne in Erinnerungen. Daraus ist der Begriff Ostalgie entstanden. Ich persönlich benutze den nicht, aber ich seh’ das auch nicht so ernst und verbissen. Ostalgie ist ein Marketing-Begriff und mehr nicht.
Ein gängiges Spottwort lautet: „Ostrock hören ist irgendwie, wie sich seine Eltern beim Sex vorzustellen.“
(Lacht) Oh, das ist lustig. Den Spruch kannte ich in dem Zusammenhang noch gar nicht. Aber klar: Ostrock hat heute natürlich etwas Biederes und Altbackenes. Aber wir haben auf jeden Fall kein Problem damit, uns auch ein bisschen selbst zu verarschen. In dem Puhdys-Song „Stars“ von 2001 heißt es unter anderem: „Arbeiter- und Bauernstaat – City, Puhdys und Karat. Überbleibsel der Antike – sozialistische Musike.“ Und wir waren ja auch keine Sexsymbole wie etwa die Rolling Stones.
Abgesehen von der Herkunft: Was unterscheidet Rock aus dem Osten denn von Rock aus dem Westen?
Wenn du in der DDR Berufsmusiker werden wolltest, musstest du eine Ausbildung machen, das heißt, du musstest Musik studieren und hast dann einen Berufsausweis gekriegt. Insofern waren die Musiker im Osten vielleicht etwas besser ausgebildet. Das ist aber für meine Begriffe absolut unwichtig. Was zählt, sind Talent und die Emotionen, die ein Musiker rüberbringt. DDR-Musiker hatten vielleicht mehr theoretisches Wissen über Harmonien, über Kompositionen, Stücke und so. Oft haben sie auch versucht, die Musik neu zu erfinden. Teilweise haben sie es dann etwas kompliziert gemacht, anstatt geradeaus die Musik rauszurotzen. Wie es die jungen Punkbands machen, denen ist es scheißegal, ob ihre Songs nun zehn Harmonien haben oder bloß zwei.
Denen kann es aber auch egal sein, was die Obrigkeit von ihren Texten hält.
Das kam natürlich noch dazu: Man musste in der DDR aufpassen mit den Texten. Man konnte keine kritischen Texte schreiben, also keine politisch kritischen Texte. Kritik wurde verschlüsselt, es entstanden teils sehr philosophische Texte, eine sehr schöne Poesie.
Rock-Legenden aus dem Osten
Ostrock-Legenden: City, Karat und Maschine. Und Wessi Matthias Reim (4.v.l.). Foto: Honza Klein
In vielen Texten von Ostbands wird vom Fliegen gesungen. Oder von Vögeln.
Fliegen war natürlich ein Synonym für Freiheit. Jede Band hatte solche Metaphern, wir ja auch. In „Ikarus“ zum Beispiel: „Fliege, Ikarus, fliege uns voraus.“ Gegen „Fliegen“ konnte ja niemand was sagen. Gegen „Abhauen“ schon.
Es gab auch Songs von den Puhdys, wegen denen es Ärger gab und die nicht im Radio gespielt wurden, zum Beispiel „Ich will nicht vergessen“ von 1984.
Wir waren erstaunt, dass wir den Titel überhaupt auf eine Platte pressen durften. Er hat die deutsche Teilung thematisiert und sollte ursprünglich heißen: „Denke ich an Deutschland“. Aber der Begriff Deutschland wurde irgendwann nicht mehr verwendet in der DDR, weil man von der Wiedervereinigung abrückte. Sogar die Nationalhymne der DDR wurde von Beginn der 70er Jahre an nicht mehr gesungen, sondern nur noch instrumental aufgeführt. Von wegen „Deutschland, einig Vaterland“ und so. Wir hatten unseren Song auf Platte, aber er durfte nicht öffentlich verbreitet werden. Also wurde der nicht gespielt, im Radio nicht und im Fernsehen auch nicht. Dafür lief er im Westen und wir traten im Westfernsehen auf. Es gab noch ein paar Titel, wegen denen wir Probleme bekommen haben. Zum Beispiel „Einsamkeit“. Da hieß es: „Nee, in der DDR ist keiner einsam.“
Auf der anderen Seite der Mauer ging es etwas anders zu: Bands wie Ton Steine Scherben forderten „Keine Macht für niemand“, Punkrock kam auf. Inwiefern hat das die Puhdys beeinflusst?
Ich habe mich in erster Linie an englischer und amerikanischer Musik orientiert, an den Rolling Stones, den Beatles, an Led Zeppelin. Deutschrock aus dem Westen war ja als Krautrock verschrien, diese Zeit hab’ ich gar nicht so mitgekriegt. Rio Reiser später dann schon, aber Ton Steine Scherben nicht so. So etwas wurde damals auch nicht im Radio gespielt. Und in der DDR war es ja so: Die Leute haben Radio gehört, und wenn ihnen etwas gefallen hat, dann haben sie das aufgenommen.
City, Karat und die Puhdys gehören zu den großen Bands der DDR, zum Teil wurden sie auch im Westen populär. Nach 2014 und 2016 touren sie nun das dritte Mal als „Rock-Legenden“ durch Deutschland. Als Special Guest ist diesmal Matthias Reim dabei. Wie passt er jetzt dazu? Er ist ja nicht aus dem Osten, sondern gebürtiger Hesse.
Die Puhdys waren ja schon ein bisschen das Zugpferd bei den Rock-Legenden. Die Band gibt es jetzt nicht mehr, und wenn so ein Name fehlt, dann muss man sich überlegen, womit man nun genügend Leute ins Konzert kriegt. Ich habe als Maschine ja noch nicht so einen Namen wie die Puhdys. Und da kam unser Manager auf die Idee, das mal mit Matthias Reim zu versuchen. Er hat auf seinen Platten nämlich schon viele Stücke von Ostbands gecovert, von City und Karat und auch von den Puhdys, zum Beispiel: „Wenn ein Mensch lebt“ oder „Alt wie ein Baum“.
Was darf das Publikum von den Rock-Legenden erwarten?
Jede Band spielt ihre großen Hits. Aber vor allem spielen wir sehr viel gemeinsam, eigentlich fast immer. Wir spielen am Anfang einen Song, da stehen 17 Leute auf der Bühne. Am Schluss spielen wir noch mal drei Songs, die speziell für die Rock-Legenden geschrieben wurden. Dazwischen treten bei jeder Band Mitglieder der anderen Bands auf, bei jedem Titel kommt mal ein anderer Kollege auf die Bühne.
Wie geht es nach der Tour weiter für Sie?
Bei mir dreht sich momentan alles um mein neues Album. Es heißt: „Alle Winter wieder“ und wird im Herbst erscheinen. Am 1. Dezember startet dann die Tour dazu. Ich habe eben einen wunderschönen Beruf, dafür bin ich sehr dankbar, vor allem dafür, dass ich ihn so lange ausüben kann und es immer noch Leute gibt, die mir zuhören.
„Denke ich an Deutschland“: Vervollständigen Sie bitte den Satz mit Blick auf heute.
Man muss das heute immer auch im Verhältnis zur ganzen Welt sehen. Da geht es uns in Deutschland gut, das ist einfach so. Aber die Welt ist sehr unsicher geworden, ich habe den Eindruck, sie ist auch brutaler und gewalttätiger geworden. Auf der anderen Seite gibt es grenzenlose Möglichkeiten, sich zu entfalten. Du kannst Millionär werden, oder du kannst in der Gosse landen. Zum Glück gibt es so etwas Schönes wie Musik, sie verbindet die Welt.
Was bleibt nun vom Ostrock? Und müssten die Rock-Legenden nicht eigentlich treffender Ostrock-Legenden heißen?
Heutzutage ist es wurscht, ob das nun Ostrock heißt oder nur Rock. Es sagt ja auch keiner Westrock. Ich glaube, der Begriff ist jetzt nicht mehr aktuell. Im Grunde sind wir uns ja auch nähergekommen, in ganz Deutschland. Zumindest musikalisch.