In der "OTZ" ( Ostthüringer Zeitung ) vom 14.4.2018 erchien ein Interwiew mit Veronika Fischer :
Sängerin Veronika Fischer: „Warum sollte ich aufhören?“ Veronika Fischer, Sängerin und streitbare Künstlerin aus Thüringerin, erzählt im Gespräch über ihr bewegtes Leben, alte Weggefährten und ihr neues Buch „Woher Wohin“. 14. April 2018 / 05:23 Uhr Die gebürtige Thüringerin Veronika Fischer hat ein neues Buch ("Woher Wohin" vorgelegt. Foto: Jens Kalaene Die gebürtige Thüringerin Veronika Fischer hat ein neues Buch ("Woher Wohin" vorgelegt. Foto: Jens Kalaene
Erfurt. Frau Fischer, vor fünf Jahren haben Sie Ihre bewegende Autobiografie vorgelegt – und wer sie liest, hat eigentlich das Gefühl, dass alles gesagt ist. Warum haben Sie jetzt trotzdem noch einmal nachgelegt?
Ich habe das Buch im Prinzip im Schlepptau zu meinem neuen Album erweitert. Und zwar um die Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren gemacht habe. In dieser Zeit hat sich bei mir viel verändert, deshalb habe ich das Buch um 30 Seiten ergänzt. Ansonsten aber habe ich nichts korrigiert: Die Vergangenheit stimmt so, wie ich sie aufgeschrieben habe.
Ich könnte mir vorstellen, dass wegen des Buches nicht jeder gut auf Sie zu sprechen ist. Beispielsweise die Gruppe Pankow, der Sie ja vorwerfen, sich nach Ihrem Weggang aus der DDR Ihre Musikanlage unter den Nagel gerissen zu haben.
Die Gruppe "Veronika Fischer & Band" während einer ihrer Auftritte um 1978. Foto: Berliner Verlag Die Gruppe "Veronika Fischer & Band" während einer ihrer Auftritte um 1978. Foto: Berliner Verlag
Es hat sich keiner beschwert. Warum auch? Das ist schließlich Tatsache. Ich habe ja auch geschrieben, dass ich mit dem Techniker gesprochen habe, der die Anlage gekauft hat, nachdem er vorher bei mir mit ihr gearbeitet hatte. Die Gruppe hat die Anlage dann verkauft und sich vom Erlös neue Instrumente und Technik angeschafft. Niemand hat sich darüber beklagt, dass ich das geschrieben habe, sonst hätte ich das ja aus meinem Buch herausnehmen müssen. Ich bin beklaut worden von meinen Kollegen – und das ist schmutzig. Mein damaliger Mann hätte mit der Anlage arbeiten, sie zum Beispiel vermieten können. Insofern entstand uns ein großer Schaden. Deshalb habe ich auch ein Recht darauf, das zu erzählen.
Sie beschreiben sehr berührend, welche Beziehung Sie zu Ihren Eltern hatten und wie hart Sie der Verlust ihrer Eltern, aber auch Ihres Elternhauses in Wölfis bei Ohrdruf traf. Haben Sie denn noch Kontakt in Ihren Heimatort?
Nein, überhaupt nicht mehr. Ich habe nur noch Kontakt zu meiner Schwester, die bei Gotha lebt.
Sind Sie darüber hinaus noch gelegentlich in Thüringen?
Auf jeden Fall. In Erfurt zum Beispiel spiele ich immer wieder, meist in der „Alten Oper“. Erfurt ist ein Ort, der sehr schön ist, mit Menschen, die mich gern hören. Ich bin sehr gern in Thüringen.
Und als Thüringerin haben Sie auch nicht vergessen, wie man Thüringer Klöße zubereitet. Ich selber habe das ehrlich gesagt noch nie von A bis Z durchexerziert...
... ich auch nicht. Ich habe immer nur meiner Schwester geholfen, die gelernte Köchin ist. Ich habe dann als Küchenlehrling Kartoffeln geschält und so. Aber nur für meinen Mann, meinen Sohn und mich habe ich keine Klöße gemacht. Das ist ja auch sehr aufwendig.
Ohne uncharmant sein zu wollen: Sie sind Jahrgang ’51, könnten eigentlich im Ruhestand sein. Trotzdem stehen Sie noch immer auf der Bühne. Weil Sie es wollen? Oder weil Sie es müssen?
Da ich Musik mache, die andere nicht machen, habe ich den Vorteil, noch immer ein gutes, sehr interessiertes Publikum zu haben. Warum also sollte ich aufhören? Außerdem finde ich es gut, weiter im Leben zu bleiben, sich und seine Kunst zu erhalten und nicht einfach nach Hause zu gehen und auf den Tod zu warten. Aber es ist natürlich eine zweischneidige Sache: Es gibt kaum Künstler, die, wenn sie Musik gemacht haben, im Alter ihre Schäfchen im Trocknen haben. Die meisten haben keine guten Altersrenten. Denn Freischaffende können nicht immer regelmäßig einzahlen. Bei mir kommt hinzu, dass ich als junge Frau nicht an meinen Erfolgen beteiligt wurde, so dass ich mich jetzt auch nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen kann. Deshalb habe ich auch dagegen geklagt, dass wir Künstler zu DDR-Zeiten nicht am Umsatz beteiligt waren. Ich verlange eine Entschädigung.
Gibt es inzwischen eine Entscheidung?
Nein, das Berliner Verwaltungsgericht hat meine Klage abgeschmettert, aber wir gehen weiter. Kurt Demmlers Frau hat einmal zu mir gesagt: „Wir sind durch dich Millionäre geworden.“ Wenn ein Texter damals zehn Prozent von jeder verkauften LP bekam, so dass er Millionär wurde, kann man sich leicht ausrechnen, wie viele Platten von mir verkauft wurden und wie viel Geld mir zustünde. Aber ich bin mit jeweils 500 Ost-Mark für einen Song abgespeist worden. Staatstreue Künstler wurden dagegen sogar mit Häusern beschenkt. Doch Künstler wie Tamara Danz und ich, wir wurden nur geduldet, damit die Jugend stillhält. Die Bundesrepublik will aber jetzt nicht zahlen, obwohl feststeht, dass es DDR-Unrecht war. Das Gericht hat die Sache völlig falsch beurteilt, als es behauptete, Amiga sei kein volkseigener Betrieb gewesen. Denn schließlich war das der VEB Deutsche Schallplatten.
Sie haben gerade ein neues Album vorgelegt. Das wievielte?
Das 22. Daneben gibt es noch viele Kompilationen, aber als Solo-Album ist es das 22. Und es ist das erste nach zehn Jahren. Das Album „Zeitreise“, das 2011 herauskam, war eine Neuproduktion meiner alten Hits mit neuen Arrangements und neuem Sound.
Eine derart lange Pause ist für Sie eher ungewöhnlich. Denn in den Jahren davor hatten Sie eine deutlich höhere Schlagzahl und fast alle zwei Jahre neue Album herausgebracht.
Ja, da hatte ich immer Künstlerverträge, die ich erfüllen musste. Jetzt konnte ich mir Zeit lassen, weil ich nicht unter Vertrag stand. Ich konnte das Album selbst entwickeln und wir konnten es selbst produzieren. Wir haben uns gar nicht reinreden lassen.
Genau deshalb kann ich mir vorstellen, dass Sie mit diesem Album glücklicher sind, als Sie es mit anderen vorher waren.
„Woher Wohin - Erinnerungen“, von Veronika Fischer. Erschienen im Verlag neues leben. 368 Seiten. 19,99 Euro. Foto: neues leben „Woher Wohin - Erinnerungen“, von Veronika Fischer. Erschienen im Verlag neues leben. 368 Seiten. 19,99 Euro. Foto: neues leben
In der West-Zeit habe ich sechs Alben gemacht, was sehr viel ist. Ich muss sagen, dass man das nur machen kann, wenn man Erfolg hat und mindestens 100.000 Platten verkauft. Ich war aber nicht immer ganz glücklich damit, vor allem nicht mit dem ersten Album im Westen, weil Franz Bartzsch, mein Komponist, und ich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr auf einer Wellenlänge waren. Aber danach habe ich immer Alben gemacht, von denen ich durchaus überzeugt war und die auch zeitentsprechend waren. Jetzt habe ich ein Album, für das ich zwei Jahre lang Material gesucht habe. Damit bin ich sehr glücklich, ich finde, dass es mir jetzt sehr entspricht. Und wir haben Glück: Das Album wird sehr gut im Radio gespielt, weil wir offenbar den richtigen Nerv getroffen haben.
Im Video von „Ach woher wohin“ sieht man fünf Musiker. Ist das Ihre neue Band?
Ja, das ist die Band, mit der ich auch auf Tour gehe. Es sind alle Altersgruppen vertreten. Einer der Gitarristen ist erst 35 und hat totalen Spaß an den 70er-Jahren. Er ist an vielen Produktionen beteiligt und weiß dann im Prinzip schon vorher, was er spielen muss, weil sich vieles gleicht. Meine Musik aber findet er spannend, weil nichts dem anderen gleicht.
Das heißt also, dass Sie die alten Songs wie „Schneeflocke“ immer noch spielen?
Ja, auf jeden Fall. Ein Album hat eine Länge von ungefähr einer Dreiviertelstunde, damit kann man kein Konzert bestreiten. Deshalb gehören zu einem Konzert auch noch Lieder dazu, die die Leute gern hören wollen und die wir auch gern spielen. Man nähme sich ja selbst Erfolg, wenn man das nicht macht. Und wir haben hinter der Mauer durchaus eine spezielle Musik entwickelt.
Sie singen seit mehr als vier Jahrzehnten, Ihre Stimme umfasst fast die drei Oktaven. Müssen Sie sie da eigentlich noch üben?
Den Umfang muss man erarbeiten, wenn man jünger ist – und wenn man älter ist, muss man sogar noch mehr üben als früher. Wenn Stimmhygiene, Training und Gesundheit zusammenkommen, bleibt einem die Stimme auch treu.